Hamburg - London mit der Logoff

20. April bis 1. Mai 2016
Logoff, here we are...

Nicht eingehaltende Versprechung Nummer Eins: Start ab Hamburg

Von wegen Hamburg - London. Hamburg hatten wir gebucht, uns auf Blick auf Elbphilharmonie vom Schiff aus gefreut (wurde vom Skipper versprochen) und bekommen haben wir Wedel!
Dort lag die Logoff am Dienstag. Und Wedel gehört laut Andreas' Tochter Caroline - mittlerweile in Hamburger Studierende - überhaupt nicht zu Hamburg. Caro (hier noch einmal das herzlichsten aller Dankeschöns!) hatte gemeinsam mit Freund Paul einen Teil der Crew (selbstverständlich Papa Andreas, Coskipper Jörn und Chronistin Karin) nachts vom total verspäteten ICE abgeholt und ins besagte Wedel gefahren.

Dort im hintersten, dunkelsten Eck der Marina wanderte Skipper Achim schon erwartungsvoll zwischen den Bootswerten herum, denn Spaghetti, Pesto, Salat und Wein wurden kalt. Also schnell Gepäck verladen, Caro und Paul verabschiedet und mitternächtliche Pasta verspeist. Kojen mit blauweiß karierten Bezügen und weißen Mäusen geleiteten müde Reisende in einen traumlosen Schlaf.

Der Rest der Crew (Hajo und Rainer) kam pünktlich am Mittwoch mittag. Um 16 Uhr lief die Logoff aus der Marina Wedel aus, raus auf die Elbe, um im Wettlauf mit Containerschiffen und Frachtern die Nordsee zu suchen. Eine kleine Reparatur, die eigentlich keine Erwähnung verdient, aber halt den Zeitplan ein wenig durcheinander brachte, schenkte uns ein wenig Kreuzen auf der Elbe und als Anlegeort Glückstadt statt Cuxhafen.

Abendstimmung auf der Elbe - Foto Rainer

Anlegeort wiederum hieß (nur um mal die Art dieses Segelurlaubs zu dokumentieren): Um halb neun Uhr anlegen, kurz den nächsten Tag besprechen und ab ins Bett, DENN Schicht 1 musste um 1 Uhr wieder aufstehen. Um eins aufgestanden gab es nicht einmal Frühstück, auch kein sogenannter Pyjamastart (was ja noch ganz niedlich klingt), sondern Genuawechsel stand auf dem Überraschungsprogramm. Also Vorsegel runter, neues Vorsegel ra ...

Manöver in Glückstadt - Foto Karin

Sonntag, Scheveningen

Heute morgen hat die Crew Ausgang. Andreas und Jörn sind im Schwimmbad, Hajo am Strand spazieren, Achim wäscht Wäsche, Rainer arbeitet und ich schreibe weiter an der Reise-Chronik. Wo waren wir stehen geblieben? Donnerstagnacht beim Genua-Wechsel. Für Segellaien: Genuas sind Vorsegel. Und unsere Genua war für den zu erwartenden Wind zu groß, deshalb mussten wir morgens zwischen eins und zwei Segel wechseln ....

Danach gings recht unspektakulär weiter die Elbe hinunter, an Brokdorf und dem Eingang zum Nord-Ostsee-Kanal vorbei - dann wechselte die Schicht und ich durfte ins Bett.

Nicht eingehaltende Versprechung Nummer Zwei: Ziel 1 ist Helgoland

Nächstes Ziel: Helgoland, doch als wir aus den Kojen krabbelten, segelten wir gen Westen. Wind aus der falschen Richtung. Nächstes Ziel hieß Den Helder, ein Militärhafen im Norden der Niederlande. ETA (estimated time of arrival, erwartete Ankunftszeit Freitagabend 18 Uhr). Zur Erinnerung: Es war gerade mal Donnerstagmorgen.

Um den Schock abzufedern und die Crew bei Laune zu halten, verordnete der Skipper für jeden das englische Boje-über-Bord-Manöver. Darin geht es zur Erklärung für alle besorgten Daheimgebliebenen darum, über Bord gegangene Fender oder Bootshaken oder andere Gegenstände (natürlich keine Personen!) in schnellstmöglicher Zeit wieder aufzusammeln. Für alle versierten Segler*innen funktioniert das "englische Manöver" ungefähr so:

  1. kurz abfallen, dann Wende
  2. Boje mit Halbwind passieren, Rettungsmittel ausbringen. ( Mut zusprechen)
  3. Motor an,
  4. nächste Wende einleiten mit Motorunterstützung, kurz im Wind Vorsegel rein, Groß dicht
  5. dann mit Halbwind Schiff in Luv neben der Boje aufstoppen, jetzt alles mit Motor und sich auf den zu bergenden Gegenstand zutreiben lassen.
  6. bergen

Beim Manövern... - Foto Karin

Nachdem alle die Übung erfolgreich absolviert hatten, kredenzte der Skipper Rigatoni con Geschnetzeltes denjenigen, die nicht wieder in den Kojen lagen. Der Rest des Tages war segeln und schlafen und essen und segeln und schlafen und essen und segeln und schlafen und essen .... Desgleichen die Nacht. Zum Glück erleuchteten Sterne und Windräder- Parks die dunkle See, Kardinaltonnen wiesen uns den Weg, andere Schiffe hielten sich weitgehend von uns fern. Es war kalt zum Fingerabfallen, doch unser sonniges Gemüt erwärmte uns von innen. Jörn übte Poledancing an der Stange vor dem Niedergang, ganz besonders geeignet für eingeklemmte Ischiasnerven, sagen kompetente Physios.

Impressionen von der Fahrt - Foto Rainer

Der Freitag wird in die Chroniken der Reise als wunderbarer Segeltag eingehen. Die Sonne schien und spendete mäßige Wärme. Der Wind kam aus der richtigen Richtung, in der Ferne flogen die westfriesischen Inseln vorbei, Tershelling, Vlieland und Texel grüßten mit einladenden Sandstränden, so dass manch Steuergängerin der Gedanke kam, dass ein Dünenspaziergang auch mal eine nette Sache sein könnte.

Auf grosser Fahrt - Video Achim

Kurz vor Den Helder gab es noch eine Entscheidung zu fällen: durch den Molengat oder um die Insel Noorderhaaks herum. Der Molengat ist nur bedingt tief genug für eine Yacht wie die Logoff und nicht immer ausreichend betonnt. Doch wer dachte, Umrunden wäre eine ernsthafte Überlegung, kenne unsere Skipper schlecht. Wir haben ein gutes GPS, meinten sie, was brauchen wir Tonnen als Wegweiser? Achim gab noch kurze Einweisung in richtiges Steuern ("nur kurze Steuerimpulse geben, ein Segelschiff ist kein Auto!"), Navigator Jörn bestand auf strikter Einhaltung seiner Kursangaben, dann gings rein in den Molengat. Dazu sollte man noch erklären, dass die Insel Noorderhaaks als solche kaum zu erkennen ist. Ein braungelber Streifen am Horizont, ein paar viele Vögel, die im Wasser zu stehen scheinen, das wars.

Da fuhren auch andere - Foto Rainer

Um es kurz zu machen, wir setzten die Logoff nicht auf Sand (das wird den Eigner freuen) und kamen auch gut in den Hafen von Den Helder, das Anlegen klappte ebenfalls und niemand küsste den Boden. Die Crew machte sich vielmehr direkt ans Kochen (Pellkartoffeln mit Kräuterquark und Würstchen). Anschließend erfolgte der erste Landgang seit Wedel, Ziel war das Land's End, eine Empfehlung des Eigners. Hiermit ein fröhliches Dankeschön, das Interieur war sehr ansprechend, das Selbstgebraute aus Texel mundete und der Tag klang bei mittelmässigen Aldi-Grappa in der Logoff aus.

Landgang - Foto Rainer

Samstag, Den Helder

Der Samstag startete wie immer mit Andreas' frisch gequetschten Haferflocken, mit allerlei anderen Zutaten zum perfekten Müsli zusammengemischt. ... to be continued

It's just a jump to Dienstag, Harwich

Kurze Rundfrage am Dienstagnachmittag in Harwich (GB): Wie war die Fahrt von Den Helder nach Scheveningen? An was erinnert ihr euch, drei Tage danach? Antwort: Hm, das war nichts Aufregendes, Sonne, Wind und ach ja, die Hafeneinfahrt ... kam als Antwort. Nun ja, es gab Sonne, war also nicht so schweinekalt wie sonst, es gab Wind, es gab sogar Windparks mit vielen Windrädern und die auftauchenden Frage, ob wir die Spargel als Slalomparcour nutzen sollen, um ein wenig wenden und halsen zu üben (haben wir nicht, zum Bedauern einiger Crewmitglieder). Es gab ebenfalls Wellen und die erste Gelegenheit, auf ihrem Kamm ein wenig zu surfen.

Windpark - Foto Karin

Als die Frage auftauchte, ob die in weiterer Küstenlinie auftauchenden Hochhäuser schon Den Haag sein könnte, was ja quasi Vorort unseres Ziels Scheveningen ist, erwiderte der Skipper: "Kurs auf die Schornsteine am Horizont, die rauchenden dort." Womit wir wieder bei den Versprechungen wären, die nicht eingehalten wurden. Nette Locations wurden uns im Agenturprogramm angekündigt und nun sollten wir zu rauchenden Schornsteinen segeln???

So fuhren wir eine ganze Weile in banger Erwartung, bis irgendwann die kleine Kurskorrektur kam (welche, kann im sorgfältig gepflegten Logbuch nachgeschaut werden, direkt neben der Zeile mit der Sturmwarnung für die Niederlande), die Hochhäuser nebst Strand waren selbstverständlich Den Haag. Allgemeine Erleichterung machte sich breit. Wir würden in Nachbarschaft zum internationalen Gerichtshof anlegen - eine kleine Beruhigung für die Crew, dass es so etwas gibt.

Nachdem wir im tosenden Meer Segel geborgen hatten, fuhr Skipper Achim die Logoff cool in die Marina, parkte lässig ein (mit leichten diplomatischen Verwicklungen wegen Parkplatz, die aber durch Einparkhilfe und ein paar Bier entwickelt werden konnten) und schickte sofort Andreas los zu checken, wie lange seine Lieblings-Imbissbude offen hatte. Kurze Zeit später sammelten sich vor der Crew gebackene Kibbeling-, Muschel- und Tintenfisch-Berge, dazu Pommes und eine homöopathische Dosis an Salat - viel zu viel selbst für weitgereiste Segler*innen. Ein Crewmitglied (welches wird hier nicht verraten) ließ sich die Reste einpacken. Andere Crewmitglieder (Namen werden ebenfalls nicht veröffentlicht) machten auf dem Heimweg eine Einkehrhalse in die Spirituosenabteilung des Supermarkts, um einen guten, alten Genever (oude Wenneker) zu erstehen. Dass dieser sofort auf dem Schiff getestet werden musste, steht außer Frage.

It's a jump back to Sonntag, Scheveningen

Wie oben schon beschrieben, blieb der Sonntagmorgen den Individualvergnügungen der Crewmitglieder vorbehalten. Um halb zwei Uhr sollte das Essen auf dem Tisch stehen (Due de Tortellini mit Gorgonzola-Soße und Tomatensoße, was sich im Nachhinein teilweise als zweitbeste Idee herausstellte, zu viel Histamin für schwere See!), danach kurze Besprechung und Start nach England. Um drei Uhr nachmittags stachen wir von Scheveningen aus in See. Allen war ein wenig mulmig. Es warteten 5 bis 6 Beaufort Wind auf uns, hohe Wellen, eventuell Regen und eine lange Nacht.

Manche fahren mit Herz - Foto Jörn

Deshalb setzten wir Segel schon in einem Vorhafen. Kaum auf dem Meer jagten uns Wellen in heftige Berg- und Talfahrten. Die einen riefen begeistert "Rock'n Roll", andere überlegten, ob Rotterdam eine Alternative sein könnte zu good, old Britannia, wiederum andere entledigten sich der Tortellini, besonders aber der Gorgonzolasoße (was Jörn schon immer wusste, dass dieser Käse des Teufels ist) und verbrachten die kommenden Stunden hinter zugezogenem Vorhang in der Koje.

Scheveningen - Ausfahrt aus dem Hafen - Video Achim

Trockene Handschuhe - Mangelware - Foto Rainer

Montag, Lowestoft

Am Montagmorgen hatte sich der Seegang etwas beruhigt. Den Vormittag verbrachten die Nachtdienstler mit Schlafen, die Krankenstation übernahm das Cockpit. Häppchen wurden gereicht und heißer Tee und fast alle hatten sich irgendwie lieb, lag doch eine anstrengende Nacht hinter jedem und jeder, egal ob sie nun am Steuer oder im (Halb)Schlaf oder mit Selbstzweifeln ob der persönlichen Eignung für derlei 'Urlaubsreisen' verbracht worden war.

Die Kuppel von Sizewell - Foto Karin

Als dann England in Sicht kam (in der Rekonstruktion am folgenden Tag zeigte sich, dass das erste Stückchen von Lisbeth's Reich, das die Logoff-Crew erblickte, eine weiße Kuppel backbord querab war, eine weiße Kuppel mit vielen Strommasten drumherum, die erst tags drauf sichtbar wurden und auch der Plotter offenbarte erst dann 'power station dome'), als erste Landstreifen am Horizont auftauchten, gab es ruhige Seeligkeit. Die Cockpit-Crew rief zwar Land in Sicht, doch nur der Skipper schob kurz seinen Kopf aus dem Niedergang empor, meinte, gut, und verschwand wieder. Der Rest ignorierte England. So viel zu den Überlieferungen zum Verhalten von Seemännern.

Malerische Hafenperspektive - Foto Rainer

Der Hafen von Lowestoft erwies sich als lndustriehafen mit Charme. Im Hintergrund baute ein Kran eine knallgelbe Ölplattform zusammen, Ausflugsschiffe legten bei und Hausboote standen zum Verkauf (140.000 Pfund, Traum von Hajo und der Chronistin, doch leider gibt es in der Dreisam keinen Platz - alte Forderung: Ein See für Freiburg!). Alle (bis auf den Skipper) stellten sich stundenlang unter die heiße Dusche, obwohl diese wie blöd wackelte). Nach dem Abendessen gab der Skipper Landgang frei. Im Pub Josep Conrad kam es zu erster intensiver Inaugenscheinnahme der eingeborenen Bevölkerung und Test deren Getränke (Carling und Cider). Müdigkeit trieb alle bald zurück aufs Schiff. Kurz vor dem Kojengang stellte der Skipper noch ein Problem zur Diskussion (normalerweise Devise: keine Diskussion). Er wisse nicht, wie er die Crew ansprechen solle: "Männer und Frau" oder wie? Die Crew einigte sich einstimmig auf: "Mädels".

Welcome to the UK - Foto Karin

Back to Harwich

Harwich - sieht grösser aus als es ist - Foto Karin

So richtig Entspannung war nicht angesagt. Der Wetterdienst prognostizierte WS 6 bis 7, in Böen 8, doch in den Zug steigen, das wollte dann doch niemand. Wind von hinten, mit dem Strom segeln versprach rasches Vorwärtskommen und wenig Seegang. Um es kurz zu machen: Wir knackten die 11 Knoten.

11 Knoten müsst ihr sein! - Foto Karin

Als Mittagstisch gab es Pfannkuchen salzig und als Nachtisch Pfannkuchen süß. Das Kernkraftwerk heißt Sizewill und noch am Netz.

Hafenstimmung - Foto Karin (li)/Rainer (re)

Bordleben - Video Andreas

Es gab immer wieder Schauer mit Graupel und Böen um die 35 Knoten Wind.

Flying to Harwich - Video Achim

Wir umschifften ankernde Frachter und Untiefen und landeten in Harwich zwischen Containerhafen und historischer Altstadt. Die Pläne für die nächsten Tage stehen und sind mit den Gezeiten abgestimmt. Morgenabend floaten wir in Richtung Themse-Mündung, bis wir dort um fünf Uhr früh ankern. Um zwölf am Donnerstag gehen wir auf unsere letzte Reise in Richtung London und werden dies zwischen 18 und 19 Uhr erreichen.

Solider Pier - Foto Rainer

London

Der Rest ist schnell erzählt. Von Harwich haben wir einen kurzen Abstecher in die Marina gegenüber gemacht, um zu tanken. Um sieben Uhr abends ging's los in Richtung Themse-Mündung. Wenig Wind, Regen und Kälte begleiteten uns auf der letzten Nachtfahrt. Kurz nach drei Uhr warfen wir Anker an einem der in der Karte vermerkten Ankerplätze, nahmen ein kurzes Ankerbier zu uns und hauten uns aufs Ohr - natürlich nicht, ohne eine Ankerwache zu bestimmen.

Der Wind, den wir in der Nacht davor vermisst hatten, schob uns ab 12 Uhr die Schleifen der Themse hoch. Bei etlichen Wendemanövern konnte die Crew endlich zeigen, wie eingespielt sie nun auf einander ist. Böen brachten Geschwindigkeiten und Schräglagen, die der Crew viel Glanz in die Augen trieb - Momente, die hoffentlich noch lange anhalten werden ...

Da wir mit dem Hafenmeister der Limehouse Marina um sechs Uhr verabredet waren, reichte die Zeit, um noch kurz die Tower Bridge zu grüßen. Punkt 18 Uhr Ortszeit liefen wir in die Schleuse der Marina ein. Fünf Minuten später legen wir zum letzten Mal an.

Letzte Fahrt - Limehouse Basin

Zwei Tage London folgten mit allem, was man und frau in London halt zu tut. Essen gehen, Sehenswürdigkeiten anschauen, ein wenig Shoppen - das sind Segler*innen nicht anders als andere Menschen. Es war schön, am Abend immer wieder zurück aufs Schiff zu kommen, was für 12 Tage eine Art Zuhause geworden war. Morgen fliegen die meisten (außer Skipper Achim) back home. Wir werden die acht Tage und vier Nächte auf See gut in uns abspeichern. Jede und jeder auf seine/ihre Weise. Hamburg - London klingt nicht nur cool, es war auch cool (im wahrsten Sinne des Wortes).

Tower Bridge - Pars pro toto

YouTube-Kanal

Karin, Bordchronistin

Jörn, Coskipper

Andreas, Müslibeauftragter und eingeteilt für die Seeventile Waschbecken

Hajo; Tee und Kaffee Beauftragter

Achim, Skipper

Rainer, unser Küken an Bord

Crew - Fotos Rainer